Aufgepasst – bei der Paradefarbe des Bordeaux tut sich was.
Ein angesehenes Weinbaugebiet ist in Bewegung. Bordeaux entwickelt sich und seine Klassiker kontinuierlich weiter und bereichert die Palette an Rotwein-Stilen mit neuen Nuancen. So fahren immer mehr Winzer:Innen den Holzeinsatz zurück, um den Weinen und ihren Tanninen mehr Frucht und Geschmeidigkeit zu geben. Aus Neugier und der Verbundenheit der Bordelaiser mit ihrem Terroir entstehen zudem unerwartete Cuvées. Unterbaut von der langjährigen Expertise sowie der betriebsamen Kreativität seiner Akteure erfindet sich Bordeaux schrittweise neu und blickt zuversichtlich in die Zukunft.
Die aktuellen Rotweine aus Bordeaux sind das Ergebnis neuartiger Erkenntnisse und Methoden gepaart mit der Vision zukunftsgerichteter Winzer:Innen. Das Ziel: Rotweine, die in die heutige Zeit passen, mit deutlich weniger Gerbstoff, einer ausgewogenen Frucht und Säure. Neben diesen neu-interpretierten Klassikern blühen auch unerwartet kreative Weine auf. Sie können aus alten oder neuzugelassenen Rebsorten sein, reinsortig oder eine Bordelaiser Cuvée, vegan und frei von Schwefel, klassisch im Holz oder in Amphoren ausgebaut… Rotweine aus Bordeaux schenken den Vorlieben der Weintrinker weltweit Aufmerksamkeit und bringen dennoch die Identität und Einzigartigkeit des Terroirs von Bordeaux zum Ausdruck.
Dass die Region außerdem in Sachen Corporate Social Responsibility eine regelrechte Kehrtwende gemacht hat, zeigt sind in der Verpflichtung zum ethisch- regenerativen Weinbau sowie in der Tatsache, dass 75% der Bordelaiser Rebfläche inzwischen über eines der relevanten Programme zertifiziert sind. Eine deutliche Steigerung zum Jahr 2014, als es gerade mal 35% waren.
Ein Blick auf die Rebsorten zeigt, dass von den sechs Rotweinsorten, die bisher in Bordeaux klassifiziert waren, viele Jahre lang vor allem die klassischen Bordeaux- Cuvées aus Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet Franc in unterschiedlichen Konstellationen im Interesse der Verbraucher lagen. Dies verändert sich und spiegelt sich deutlich in den Assemblage von heute, in denen Petit Verdot, Carménère und Malbec, die in Bordeaux schon immer heimisch waren, ein Comeback erleben. Diese historischen „sekundären Rotweinsorten“ machen den größten Anteil der Neuanpflanzungen aus. Ihre Anbaufläche hat
sich in den letzten 20 Jahren auf 3.411 Hektar verdoppelt. Als Expert:Innen in der Kunst der Cuvée-Bereitung konzentrieren sich die Bordelaiser zum einen auf die Vermählung der angestammten Sorten, erzeugen zum anderen zunehmend auch sortenreine Rotweine.
Wissen sollte man auch, dass als Antwort auf den Klimawandel im Jahr 2021 vier neue rote Rebsorten zugelassen wurden: Arinarnoa, Castets, Marselan und Touriga Nacional. Sie wurden speziell ausgewählt, um trotz steigender Temperaturen, längerer Hitzewellen und kürzerer Reifezyklen, den Stil der Bordeauxweine zu gewährleisten. Diese neu zugelassenen Sorten sind im Anbau limitiert auf fünf Prozent der Rebfläche. In einem Wein dürfen niemals mehr als zehn Prozent verwendet werden, damit das Bordelaiser Profil erhalten bleibt.
Respektvolle Experimentierfreude im Bordelais
Moderne Rotwein-Stile entstehen aber nicht allein durch die Wahl alter oder neuer Sorten, oder die Wahl reinsortig zu arbeiten. Sie sind vor allem auch auf die Kreativität und Experimentierfreude der Winzer:Innen im Weinberg und im Keller zurückzuführen. Um die Ursprünglichkeit der Trauben zu bewahren, kommen kürzere Maischestandzeiten, sanftere Extraktionsmethoden und Spontangärungen zum Einsatz. Diese veränderten Methoden sowie die Rückkehr zum großen Holzfass oder die Nutzung von Amphoren und Betontanks schaffen neue Weinprofile. „Weniger ist mehr“ für viele Erzeuger, die einen Ansatz mit minimalen Eingriffen praktizieren.
Schließlich ist der Respekt vor dem Terroir in der Weinkultur von Bordeaux fest verankert. Die akribische Bewirtschaftung der einzelnen Weinbergsparzellen bildet die Basis und mündet folgerichtig in Mikro-Vinifikationen, weil nur so die einzelnen Eigenschaften erhalten werden. Bei den Rotweinen spielt zudem das Arbeiten mit der Schwerkraft eine zentrale Rolle, weil man so schonend, wie möglich mit den filigranen Weinen umgeht, damit sie das ursprüngliche Terroir zeigen und dennoch erschwinglich bleiben.
Als Reaktion auf die wachsende Verbrauchernachfrage bieten mehr und mehr Bordeaux-Erzeuger vegane und sulfitfreie Weine an. Sulfite – umgangssprachlich auch Schwefel genannt – garantieren die Haltbarkeit eines Weines. Heutzutage bieten jedoch einige Winzer:Innen Weine ohne Schwefel-Zusatz an, da bei der Gärung Sulfite auf natürliche Weise entstehen. Veganer Wein besteht zu 100 Prozent aus pflanzlichen Bestandteilen. Es werden also keine tierischen Bestandteile, wie Eiklar, Fischleim oder Kasein/Milchprotein eingesetzt, um einen Wein zu klären, sondern pflanzliche Produkte auf der Basis von Erbsen, Weizen oder Kartoffeln.
All diese Veränderungen gehen oft auch mit neuem Design einher. Denn ein weiteres Zeichen für den Wandel ist ein Bruch mit dem traditionellen Bordeaux-Packaging: Flaschen mit aufmerksamkeitsstarken Namen sowie modernen, farbenfrohen und unkonventionellen Etiketten bereichern die Weinwelt. Sie bringen die Kreativität zum Ausdruck, ebenso wie neue Flaschenformen, wobei sich einige sogar für eine Nicht- Bordelaiser Formen entscheiden. Aus ökologischen Gründen werden darüber hinaus leichtere Flaschen eingesetzt, was einen positiven Einfluss auf den CO2-Fußabdruck hat. Auch ökologisch gestaltete Etiketten aus Recyclingpapier oder mit lösungsmittelfreien Druckfarben werden bevorzugt.
In der aktuellen Top-50-Bordeaux-Selektion finden Sie Rotweine, die sich vom klassischen Bordeaux-Typ abheben und mit Fruchtigkeit und jungem Trinkgenuss punkten.
Hier unsere Empfehlungen:
Château d’Esther Cuvée Avi rouge 2019 – AOC Bordeaux Supérieur
40% Merlot, 40% Cabernet Sauvignon, 20% Petit Verdot | in Barriques gereift | BIO
Preiskategorie: 13 € – 18,99 €
Bezugsquelle: weintruhe-freiburg.de
Thomas und Eva Fabien haben im Jahr 2001 das 5,5 Hektar große Weingut am Ufer der Dordogne übernommen, das seit 2006 bio-zertifiziert ist. Agroforstwirtschaft ist für sie eine Herzangelegenheit. Beide wollten von Anfang an auf Polykultur umstellen und ein Ökosystem und Gleichgewicht aus Erde/Tieren/Pflanzen entwickeln. Sie produzieren ihren eigenen Honig und Marmeladen, und haben ein B&B eröffnet.
Château Saint-Aubin Cru Bourgeois 2018 – AOC Médoc
45% Merlot, 17% Carménère, 16% Petit Verdot, 8% Malbec, 7% Cabernet Sauvignon, 7% Cabernet Franc | 50% in Beton & 50% in Barriques gereift | integrativer Weinbau
Preiskategorie: 13 € – 18,99 €
Bezugsquelle: shop.weinundglas.com
Florence and Charles Fernandez de Castro haben das Weingut aus dem 17. Jahrhundert im Jahr 2001 übernommen. Von Anfang an haben sie ihr Terroir studiert, um die am besten geeigneten Rebsorten anzupflanzen. Heute sind sechs Rebsorten auf ihrem 22 Hektar großen Weingut beheimatet.
Château Le Lau Perle Rouge 2019 – AOC Graves de Vayres
100% Merlot | in Barriques gereift | BIO
Preiskategorie: 9 € – 12,99 €
Bezugsquelle: koelner-weinkeller.de
Nach einer Karriere in der Mode kam Sylvie Plomby 2013 nach Bordeaux zurück und trat in das 12 Hektar große Familienweingut ein.
Für die Quereinsteigerin spielt die Natur eine sehr wichtige Rolle, was sie dazu veranlasst hat, die Umstellung auf Bio in Angriff zu nehmen.