Süßweine – eine Köstlichkeit, die niemanden kalt lässt
Zur Zeit der Antike galten jene Weine als die wertvollsten, die aus Trauben hergestellt wurden, die absichtlich getrocknet wurden, um die Zuckerkonzentration zu erhöhen. Die Süßweine von Bordeaux waren bereits im Mittelalter nachweislich nachgefragt und Ende des 17. Jahrhunderts machte sich dann vor allem der Holländische Weinhandel daran, die „Süßen“ aus Frankreichs Westen gewinnbringend zu nutzen.
Doch wie entsteht heute eigentlich ein Süßwein und was macht ihn so besonders und damit auch relativ teuer? In Bordeaux bildet Edelfäule die entscheidende Komponente. Sie befällt bei entsprechend, gemäßigtem und feuchtem Klima in Kombination mit warmen, sonnigen Herbstnachmittagen – die Trauben.
Den gewünschten Effekt von Botrytis, wie Edelfäule im Fachbegriff genannt wird, nämlich die Verdunstung des Wassers und Steigerung des Zuckergehaltes in der Beere, erfolgt nur bei Weißwein-Rebsorten. Prädestinierte Sorten des Bordelais für den Befall sind: Sémillon, Sauvignon-Blanc und Muscadelle. Sémillon ist die hauptsächlich verarbeitetet Sorte, häufig in der Assemblage mit Sauvignon Blanc und kleinen Mengen Muscadelle. Der Umfang des Befalls ist dabei ganz maßgeblich für die Größe eines Jahrgangs. Es gibt Jahre, die schlichtweg keine Jahrgänge vorweisen können. Denn viele Winzer entscheiden sich bei mittelmäßigen Ernteergebnissen bewusst auf Verzicht eines Jahrgangs.
Die Trauben entwickeln sich während der Reife zunächst von goldgelb über rötlich bis zu purpurrot. Im Endstadium, wenn ein großer Teil des Wassers verdunstet ist, werden sie braun und sehen aus wie feuchte Rosinen mit einem grauen Schleier. Für viele ist es schier unglaublich, dass eine so abstoßend anmutende Rebe derart feine Weine hervorbringen kann.
Die Herausforderungen der Weinlese
Die Risiken und Kosten, die mit der Herstellung von Süßweinen verbunden sind, bestimmen letztendlich den zugegebenermaßen nicht günstigen Preis des fertigen Weines. So ist schon die Lese ein Projekt für sich: Sie erfolgt in mehreren Durchläufen, um die Trauben immer zum idealen Zeitpunkt ihres Befalls zu ernten. Und der variiert von Rebstock zu Rebstock, von Weinberg zu Weinberg. So beginnt die Lese des ersten Durchgangs meist Anfang September und Endet mit dem letzten Lesedurchgang meist Ende Oktober – je nach Wetterverhältnissen in den jeweiligen Anbaugebieten. Nicht weniger aufwendig ist der Kelterprozess, der den Winzer schon mal vor die ein oder andere Herausforderung stellen kann. Die Pressung ist aufwendiger und der Gärprozess verläuft äußerst langsam aufgrund des hohen Zuckergehaltes. Übrigens – ein Rebstock erbringt in der Regel ein Glas Süßwein wohingegen sonst ein Rebstock etwa eine Flasche hervorbringt. Edelfaule Weine vertragen eine extrem lange Flaschenalterung – in vielen Fällen jahrzehntelang. Ja, sie fordern sie regelrecht. So ist in Frankreich eine schöne Tradition, Süßweine aus den Geburtsjahrgängen der eigenen Kinder zu kaufen und diese bis zu ihrer Volljährigkeit und darüber hinaus zu lagern. Süßweine beziehungsweise Edelsüßweine, wie sie eigentlich genannt werden, weisen eine sehr charakteristische Honignote auf, häufig mit einem Unterton von gekochtem Kohl. Sie sind von allen süßen, weißen Weinen die komplexesten und langlebigsten. In Bordeaux unterscheidet man die „Süßen“ nochmals in „edelsüß und intensiv“, die bis zu 50 Jahre lagerfähig sind, bestes Beispiel: die Region Sauternes. Und „weich & fruchtig“, mit einer Lagerfähigkeit bis zu 5 Jahre, beispielsweise Süßweine aus dem Graves de Vayres.
Hier geht es zu den Süßweinen aus der aktuellen Selektion „100 Bordeaux zum Entdecken“.