Stevan Paul bringt Bordeaux-Wein und Wurst auf den Tisch
Ich war im Himmel und der Himmel hing voller Würste, dazu wurden ausgesuchte Weine gereicht. Ein Schlaraffenland und dieses Schlaraffenland hat eine Adresse, das Paradies findet sich in Amsterdam. Das „Worst Wijncafè“ in der Barentszstraat 17 ist eine Restaurant-Bar, die Weine zur Wurst serviert.
Besonders schön sitzt man am langen Tresen mit Blick in die offene Küche. Im Rücken erstreckt sich ein gläserner Chambrair mit um die 300 Weinflaschen aus aller Welt, vor allem aus Frankreich. Am besten begibt man sich in die Hände des lässigen Sommeliers, aus der Küche kommen Charcuterie, Rillette und Pasteten mit eingemachten Sauergemüsen – und Würste in allen Variationen, von der Hummer-Wurst bis zur saftigen Fenchelbratwurst.
Am Ende eines reichen Abends mit fröhlichem Gelächter, guten Gesprächen und einer Menge blank geputzter Teller und geleerten Gläsern war klar: Wein und Wurst sind ein Traumpaar!
Wenn sich der richtige Trauzeuge findet!
Wurst, das bedeutet allermeist würziges Fleisch mit einem hohen Anteil an aromatischem Fett und Salz. Hinzu kommen Röstaromen vom Braten oder Grillen. Bedeutet: Geschmack, Geschmack, Geschmack. Oft genug liegen da kleine „Umami-Bömbchen“ auf dem Grill – entschärfend und im besten Fall auch genial begleitend, sind insbesondere aromatische Weißweine, gehaltvolle Rosé-Weine und frische, wie auch gereifte, tannin-starke Rotweine.
Vollmundige und ausbalancierte Rotweine unterstreichen die Röst- und Grillaromen,
… fruchtig-samtene Weine, deren Restsüße diese Aromen umschmeichelt, dazu eine feine Säure, die prima mit dem herrlichen Wurst-Fett zurecht kommt. Auch gerbstoffreiche Rotweine mit deutlichen Tanninen begleiten harmonisch die Röstaromen, die der Maillard-Reaktion geschuldet sind. Maillard-Reaktion: Wenn beim Grillen oder Braten, an der Oberfläche des Grillgutes, Verbindungen aus Eiweißstoffen und karamellisierenden Zuckermolekülen entstehen. Dabei verdampft Wasser an der Oberfläche und es bildet sich jene aromatische Kruste, um die es beim Grillen eigentlich geht. Und zu den Röstaromen, dem Rauch und der leichten Süße, sind junge, fruchtige Rotweine elegante Begleiter – und zu Steak oder Bratwurst oft auch schlicht bekömmlicher, als kohlenstoffreiche, sättigende Biere.
Es empfehlen sich also sowohl junge, wie auch barrique-gereifte Weine, für eine kleine Bordeaux-Weinreise mit Wurst! Um das formidable Wechselspiel einer gelungenen Kombination aus Wein und Wurst praktisch zu verdeutlichen, habe ich ein paar französische Wurst-Klassiker in wirklich einfachen Zubereitungen mit ein paar Bordeaux-Weinen neuerer Jahrgänge kombiniert. Und wiewohl Bordeaux für seine Rotweine besonders bekannt ist, hier zeigen insbesondere die Weißweine der Region ihre Stärken. Am Ende jedes Pairings finden sich ein paar zusammenfassende Sätze zum jeweiligen Pairing und der Idee dahinter, die auch andere Möglichkeiten und Variationen anregen – wie immer gilt: neugierig und locker bleiben, ausprobieren – nichts ist in Stein gemeißelt – es ist dein guter Geschmack, der zählt!
Kaninchen-Terrine auf geröstetem Brioche mit Sauergemüse und grobem Dijon-Senf
Die Terrine in Scheiben geschnitten und mit Folie abgedeckt ein-zwei Stunden vor dem Servieren aus der Kühlung nehmen, sie soll Zimmertemperatur bekommen und dadurch alle Aromen entfalten. Erst wenn die Gäste Platz genommen haben, den Brioche in Scheiben schneiden, leicht toasten, mit zimmerwarmer Butter bestreichen und zu Terrine und Sauergemüse servieren.
Zur würzigen Terrine auf buttrigem Brioche-Toast habe ich den 2015 Château Villa Bel Air Blanc ausgesucht. Der Wein von Kult-Winzer Jean-Michel Cazes duftet nach exotischen Früchten, da ist Ananas, Grapefruit, viel weißer Pfirsich. Im Mund ein weicher voller Wein, beinahe buttrig mit mineralischen Noten, Vanille und Holz. Zur Kaninchen-Terrine und dem gebutterten Brioche ein Erlebnis. Prinzipiell passen hier besonders gut gekühlte, halbtrockene Weißweine und Rosé-Weine von hoher Viskosität. Gereifte Weißweine sind eine besonders gute Wahl, sie begleiten spielend auch kräftigere Terrinen wie rustikale Land-Patés, Leber- oder Wild-Terrinen, Rillette oder gemischte Charcuterie mit luftgetrocknetem Bayonne-Schinken und französischer Salami.
Andouille mit Cassis-Apfelmus-Senf
Die Andouille ist eine französische weiße Bratwurst aus Innereien und streifig geschnittenem Schafsmagen, die gerne so lange gegrillt oder in der Pfanne gebraten wird, bis sie aufplatzt und die Ränder der geplatzten Wurstpelle knusprig sind. Für meinen Cassis-Apfelmus-Senf verrühre ich 2 Teile Johannisbeeren-Konfitüre mit 2 Teilen ungesüßtem Apfelkompott und 1 Teil wirklich scharfem Dijon Senf, die Sauce leicht salzen. Wurst und Baguette dazu und gut!
Die würzige Andouille kann auch durch eine milderer Boudin Blanc ersetzt werden, Boudin Blanc bezeichnet in Frankreich eine feine Bratwurst mit Milch oder Sahne im Brät. Du kannst auch weiße feine Kalbsbratwurst verwenden. Der ausgesuchte Clairet-Rosé 2016 Château Vignol der Famille Doublet kommt aus der AOC Entre-Deux-Mers. Im Glas findet sich die Süße des Cassis-Apfelmus-Senfs, sie kontrastiert diesen aber gleichzeitig mit einer feinen Säure, die auch die „Fettigkeit“ der Bratwurst belebt. Cassis-Noten finden und spiegeln sich ebenfalls, hinzu kommt eine mineralische Frische, dabei ist der Wein geschmeidig und rund, er hat genug Würze um mit der aromatischen Strenge der klassischen Andouille klar zu kommen. Grundsätzlich empfehlen sich auch hier frische Weißweine, besonders gut aber gut gekühlte, halbtrockene Weißweine und gehaltvolle nicht zu säurebetonte Rosé-Weine.
Boudin Noir auf sommerlichem Sauerkrautsalat in Apfel-Weißwein-Vinaigrette
Die Boudin Noir ist eine weiche französische Blutwurst ohne Speckstücke, die mit warmen Gewürzen wie Piment und Zimt gewürzt ist und im Ganzen in der Pelle gebraten wird. Klassisch wird sie bereits beim Braten in der Pfanne mit Äpfeln und Zwiebeln vermählt und kommt als großes „Durcheinander“ auf die Teller. Ich serviere sie zu einem sommerlichen Apfel-Sauerkrautsalat in Apfel-Weißwein-Vinaigrette. Das Sauerkraut drücke ich ganz trocken aus (den Saft kann man trinken, sehr gesund!). Für die Vinaigrette habe ich mir schon 4 EL vom 2016 Château Lestrille Blanc abgezwackt, die ich mit 1 EL Honigsenf, 4 EL Apfelsaft und 4 EL Olivenöl verrühre, mit Salz und Piment d’ Espelette würze. 1 Apfel würfelig schneiden und mit dem Kraut und der Vinaigrette vermengen.
Hier nimmt das Kraut der Blutwurst jede winterliche Schwere und das passiert auch im Glas. Der Château Lestrille Blanc 2016 kommt von der Nordspitze des Entre-Deux-Mers-Anbaugebietes. Winzer Estelle Roumage ist ein moderner Entre-Deux-Mers Wein gelungen, mit den typischen mineralischen, salzigen Noten und dennoch fruchtbetont, elegant und vielschichtig. Es duftet nach Honig und grünem Apfel, im Mund dann grüne Stachelbeere, frische Säure – typisch Sauvignon Blanc. Charaktervolle aber frische Weißweine, halbtrockene Weißweine oder ein Gewürztraminer aus dem Elsass passen ebenfalls. Wenn du keine Boudin Noir bekommst, frag deinen Metzger nach bratfähiger Blutwurst oder Rotwurst, die auch in fingerdicken Scheiben gebraten werden kann. Die Scheiben vor dem Braten in Mehl wenden, dann wird’s besonders knusprig!
Merquez-Sandwich mit Rotwein-Zwiebeln und Rotîsseur-Mayonnaise
Die Merguez kommt ursprünglich aus der Maghreb und ist typischer Weise eine grobe Lamm-Rindsbratwurst die würzig-feurig mit Knoblauch, Kreuzkümmel, Koriander und Harissa-Chilipaste gewürzt ist. In Frankreich ist die Darreichung als Merguez Frites ein beliebtes Tagesangebot in Bistros und Cafés: die scharfen Bratwürste werden dann mit hausgemachten Pommes Frites, Roîsseur-Mayonnaise und chilischarfer Harissa-Paste serviert. Für den Sandwich bereite ich Rotweinzwiebeln: 2 rote Zwiebeln in Spalten schneiden. 50 g Butter in einer Pfanne schmelzen, die Zwiebelspalten darin glasig dünsten. 50 g braunen Zucker in einem Topf mit 3 EL Wasser aufkochen und goldgelb karamellisieren lassen. Mit 100 ml Rotwein ablöschen und offen auf die Hälfte einkochen. Die Zwiebeln zugeben und offen einkochen, bis die Flüssigkeit fast verdampft ist. Mit Salz, Pfeffer und einem Spritzer Rotweinessig abschmecken. Aus 1 TL Dijonsenf, 1 EL grobem Senf, 6 EL Mayonnaise, eine Spritzer Essig, Salz und einer Prise Zucker eine Rotîsseur-Mayonnaise anrühren. Die gegrillten oder gebratenen Merguez-Würste im gerösteten Baguette, mit der Rotîsseur-Mayonnaise und Rotweinzwiebeln servieren.
Hier passt der 2011 Château Gigault Cuvée Viva, Côtes de Blaye AOC besonders gut, ein moderner roter Bordeaux, mit satter Schwarzkirsche, Brombeere, schwarzem Pfeffer, feinen Holznoten, komplex und dennoch frisch und verspielt, der Wein macht Spaß – ein Spitzenwein! Denkbar sind hier auch andere frische, noch eher jugendliche Rotweine, mit Charakter und Würze, ihre fein eingebundene Säure spielt mit der Würze und „Fettigkeit“ des Sandwiches. Aber auch barrique-gereifte, gerbstoffreiche Rotweine sind in diesem Zusammenhang spannende Mitspieler.
Fenchelbratwurst mit Fenchelsalat
Für den Fenchelsalat 4 Fenchelsaat-Samen sehr fein mörsern und mit dem Saft einer Orange, 1-2 EL Weißweinessig und 4 EL Olivenöl zu einer Vinaigrette verrühren. 1 Fenchelknolle mit Grün fein hobeln oder schneiden, das Grün hacken und alles zur Vinaigrette geben. Mit Salz und einer Messerspitze Piment d’ Espelette würzen. Die gegrillten oder gebratenen Fenchelwürste dazu servieren.
Fett, Fenchel, Würze, Säure und Orangenfrucht – ein scheinbar kniffeliger Fall. Doch Monsieur Henri kann es richten! Der 2016 Le Blanc der Familie Ducourt ist dafür aber ein „perfect match“, der Weißwein kommt dem Fenchelsalat entgegen und mit der fettigen Würze der Wurst ebenfalls gut klar. Intensive blumige Düfte begleiten diese klassische Cuvée aus den Sorten Sauvignon Blanc und Sémillion. Am Gaumen dann Ananas, Grapefruit, Stachelbeere und Limette, eine fruchtige Frische, die zum Fenchelsalat passt, während die dezente Restsüße die Bratwurst umschmeichelt.
Der Sommer ist lang (hoffentlich!) und es macht Spaß am Grill und mit Freunden auszuprobieren, wie die Wurst zum Wein kommt!
Von: Stevan Paul
1969 geboren, verbrachte Kindheit und Jugend am Bodensee, seit über zwanzig Jahren lebt er nun schon in Hamburg. Der gelernte Koch ist Autor zahlreicher Kochbuchbestseller, schreibt als freier Journalist kulinarische Texte und Reisereportagen für Zeitschriften und Magazine, ist Radiokolumnist. Auf www.nutriculinary.com betreibt Stevan Paul eines der meistgelesenen Genuss-Blogs im deutschsprachigen Raum.